Der Spiegel 15.06.2022, 10.47 Uhr
Jahrzehntelang wehte auf der kleinen Hans-Insel abwechselnd die dänische und die kanadische Flagge. Nun wurde der friedliche Grenzstreit der beiden Länder beigelegt. Damit endet wohl auch eine alkoholhaltige Tradition.
Dänische Flagge gehisst: Seit Jahrzehnten streiten Dänemark und Kanada um die eine kleine Felseninsel
Foto: Royal Danish Navy Handout / picture-alliance / dpa
Der womöglich friedlichste Grenzstreit der Geschichte ist beigelegt: Seit Jahrzehnten sind sich Dänemark und Kanada uneinig über die Zugehörigkeit einer unbewohnten Insel in der Arktis, nun haben beide Länder einer Grenzziehung zugestimmt. Die rund 1,3-Quadratkilometer große Hans-Insel wird etwa in der Mitte geteilt. Der Territorialkonflikt zwischen Dänemark und Kanada geht zurück auf das Jahr 1973. Damals wurde ein Uno-Vertrag zwischen beiden Staaten ausgehandelt, der den genauen Grenzverlauf zwischen dem kanadischen »Ellesmere Island« und Grönland festschreibt, das von Dänemark verwaltet wird. Unberücksichtigt blieb allerdings das
Eiland Hans in der Nordwest-Passage. Seither haben beide Länder die Insel für sich beansprucht – und damit regelmäßig für Schlagzeilen gesorgt. Spätestens seit den 1980er-Jahren haben Beamte, Wissenschaftler und Soldaten aus Dänemark und Kanada die Insel abwechselnd besucht und jeweils die Flagge des anderen Landes entfernt und ihre eigene gehisst. Medienberichten zufolge wurde es dabei sogar zur Tradition, dass Besucher entweder eine Flasche kanadischen Whisky oder dänischen Schnaps für ihre Rivalen zurückließen, damit sie sie bei ihrem nächsten Besuch finden. Der Grenzkonflikt hat daher auch den Spitznamen »Whiskey-Krieg« bekommen.
Hans-Insel: Keine Bewohner, keine Bodenschätze und nur im Sommer erreichbar Foto: Toubletap / CC BY-SA 3.0 Im Jahr 2008 haben Dänemark und Kanada schließlich beschlossen, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Beilegung des Streits einzurichten – mit dem Ergebnis, dass die Insel nun in zwei nahezu gleich große Teile geteilt wird. »Es sendet ein klares Signal, dass es möglich ist, Grenzstreitigkeiten auf pragmatische und friedliche Weise zu lösen, wobei alle Parteien zu Gewinnern werden«, sagte der
dänische Außenminister Jeppe Kofod. Weiter sprach er von einem »wichtigen Zeichen jetzt, da es viel Krieg und Unruhen auf der Welt gibt«. Die Hans-Insel ist nach dem grönländischen Entdecker Hans Hendrik benannt, der 1853 an der ersten Expedition zu dem Eiland teilnahm. Die Felseninsel liegt gut 1.100 Kilometer südlich des Nordpols, ist unbewohnt und nur im Sommer zugänglich. Ansonsten verwehrt Packeis den Weg. Öl und Bodenschätze gibt es keine. Mit dem Abkommen haben Kanada und Dänemark sich auch über eine Seegrenze geeinigt. Diese erstreckt sich von der Lincolnsee im Norden bis zur Labradorsee im Süden und ist mit mehr als 3800 Kilometer Länge nun die längste Seegrenze der Welt.
asc/Reuters